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Der Mond ist aufgegangen
 Der Mond ist aufgegangen
 die gold'nen Sternlein prangen
 am Himmel hell und klar.
 Der Wald steht schwarz und schweiget
 und aus den Wiesen steiget
 der weiße Nebel wunderbar.
 
 Wie ist die Welt so stille
 und in der Dämmrung Hülle
 so traulich und so hold
 als eine stille Kammer
 wo ihr des Tages Jammer
 verschlafen und vergessen sollt.
 
 Seht ihr den Mond dort stehen?
 Er ist nur halb zu sehen
 und ist doch rund und schön.
 So sind wohl manche Sachen,
 die wir getrost belachen
 weil unsre Augen sie nicht sehn.
 
 Wir stolzen Menschenkinder
 sind eitel arme Sünder
 und wissen gar nicht viel.
 wir spinnen Luftgespinste
 und suchen viele Künste
 und kommen weiter von dem Ziel.
 
 Gott, laß dein Heil uns schauen,
 auf nichts Vergänglichs trauen,
 nicht Eitelkeit uns freun;
 laß uns einfältig werden
 und vor dir hier auf Erden
 wie Kinder fromm und fröhlich sein.
 
 Wollst endlich sonder Grämen
 aus dieser Welt uns nehmen
 durch einen sanften Tod;
 Und wenn du uns genommen,
 laß uns in' Himmel kommen,
 du unser Herr und unser Gott.
 
 So legt euch denn ihr Brüder,
 in Gottes Namen nieder;
 kalt ist der Abendhauch.
 Verschon uns, Gott, mit Strafen
 und laßt uns ruhig schlafen
 und unsern kranken Nachbar auch!
 
 [Matthias Claudius 1779]
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